Kleinere Busse (als ein Überlandbus)

Bus, LKW, Transporter - Praxisberichte usw.
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Schindler-FFM
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Kleinere Busse (als ein Überlandbus)

Beitrag von Schindler-FFM » 19. Feb 2020, 13:25

In Frankfurt haben wir aktuell zwei Bücherbusse - beide auf Basis von Setra-Überlandbussen.
Eigentlich benötigen wir an vielgenutzten Haltestellen auch das damit mögliche Bestands- und Platzangebot,

...aber trotzdem mal die Frage...

Hat jemand Erfahrung mit kleineren Bussen? Oder plant aktuell?
Gründe dafür könnten z. B. enge Wohngebiete oder zu viele zugeparkte Haltestellen sein.

LKW-Führerschein Klasse C wird bei allem benötigt, das größer ist als z. B. ein Mercedes Sprinter, oder gibt es Ausnahmen?

Lutz Steiner1
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Re: Kleinere Busse (als ein Überlandbus)

Beitrag von Lutz Steiner1 » 6. Mär 2020, 10:02

Guten Tag Herr Schindler,

vielen Dank, dass Sie dieses aktuelle Thema ansprechen.

Ich denke schon, dass kleinere Fahrzeuge als solche in Überland- oder Reisebusgröße mancherorts geplant sind. Die Argumente dafür sind die, die Sie aufführten. Wendigkeit, Schulhofgängigkeit. Man könnte auch noch den geringeren Kraftstoff- bzw. Energieverbrauch sowie die Unterhaltskosten anführen. Und, siehe unten, etwas weniger hohe Ansprüche bezüglich der Fahrerlaubnis.

Dagegen sprechen die im Vergleich zum Full Size Fahrzeug nochmals deutlich eingeschränkte Kapazität und, natürlich, dass die Teams über den langen Arbeitstag noch mehr Kompromisse machen, sich noch mehr einschränken und enger zusammenrücken müssen.

Glücklich kann sich schätzen, wer ein großes mit einem kleineren Fahrzeug kombinieren kann. Und diese dort einsetzt, wo es jeweils passt.

Der unglaublich zähe Mercedes Großtransporter T2 / Vario, mit seinen LKW Genen verständlicherweise teuer in der Herstellung, wurde leider vor reichlich fünf Jahren vom Markt genommen. Seither dominieren in der Klasse bis 7,5 Tonnen von Leichttransportern abgeleitete Gefährte, teilweise mit aus dem PKW Bereich entnommenen Komponenten.

Es zeigt sich immer wieder, dass für einen sorgfältig gemachten, gut gewarteten Bücherbus 30 Jahre kein Alter sind. Diesbezüglich können Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen nicht mithalten. Das wollen und das sollen sie auch nicht.

Die Führerscheine; ein Wirrwarr. Für jemanden, der nicht täglich damit zu tun hat, schwer zu durchschauen, noch schwerer zu merken. Es gibt tatsächlich eine Stufe zwischen B (PKW) und C (LKW). Das ist der Exot C1. Dieser deckt teilweise den Bereich der alten Klasse 3 (vor 1999) ab und gestattet das Führen von Fahrzeugen bis 7,5 Tonnen.

Diese Stufe ist natürlich nicht Fisch, nicht Vogel. Wenn man jemanden aus dem Team zur Fahrschule schickt, ist der große Schein, da freizügiger einsetzbar, zumeist die bessere Alternative.

Es dürfen Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen weiterhin mit dem alten Führerschein Klasse 3 bewegt werden, wenn dieser vor 1999 erworben wurde. Ist der Inhaber / die Inhaberin älter als 50, bedarf es des ärztlichen Attests und der Erweiterung der Fahrerlaubnis. Kompliziert, das alles. Am besten im Internet nachzulesen unter "Führerscheinklassen" und "Bestandsschutz" der jeweils alten Kategorien. Ich mache das auch immer, bevor ich mich in irgendeiner Weise äussere. Denn, wie erwähnt, schwer zu durchschauen und gerade, was die Details betrifft, schnell wieder vergessen.

Warnen kann man immer wieder vor Minimalausbildungen, die eben so reichen. Als die alten Führerscheinklassen entstanden, waren die Straßen leer und boten Raum zum Üben. So kam es, dass man über Jahrzehnte nach auf VW - Käfer bestandener Prüfung einen 7,5 Tonner mit bis zu 10,25 Tonnen wiegendem Anhänger pilotieren durfte. Oder -eigene Erfahrung- eben dem leeren 7,51 Tonner zwecks Fahrprüfung entstiegen, die Tour mit dem beladenen 40 - Tonner, dem Transportmischer, dem Autokran fortsetzen konnte. Meistens, nicht immer, ging das gut.

Diese Diskrepanz angesichts des sich massiv verdichtenden Verkehrs ist der Hintergrund, weshalb Führerscheine EU - weit genauer und zweckbestimmter konfiguriert wurden. Auch wenn neue Kuriosa entstanden. Klasse D passt für den Doppeldeckerbus. Vom 7,5 Tonnen Transporter muss man die Finger lassen, auch wenn dieser leer ist.

Quintessenz: es "genügt" für den 7,5 Tonner die Kategorie C1, alternativ die alte Klasse 3. Für Busse im Überlandformat ist es die Kategorie C (LKW), alternativ die alte Klasse 2.

Nun messen LKW in der Länge selten mehr als 10 Meter. Überlandbusse meist über 12. Wer sorgfältig ausbilden möchte, gönnt AspirantInnen auf den Fahrerplatz des großen Bücherbusses die teurere, in Theorie und Praxis anspruchsvollere Kategorie CE (LKW mit Anhänger), kombiniert mit drei Omnibusstunden im Anschluss. Und C für den Kleinen. Die gefühlte wie die objektive Sicherheit sind einfach höher.

Es gibt Fahrbibliotheken, die das so sehen.

Viele Grüße

LS

Thomas Pommert
Beiträge: 14
Registriert: 21. Nov 2017, 08:05

Re: Kleinere Busse (als ein Überlandbus)

Beitrag von Thomas Pommert » 10. Mär 2020, 11:37

Sehr geehrter Herr Schindler,
Sehr geehrte ForumnutzerInnen,

wir haben uns bei Fahrzeugbau Deckwerth auf die „kleinen“ Fahrbibliotheken spezialisiert. Die erste FB 75 haben wir 2011 gebaut. Bis heute sind wir diesem Konzept treu geblieben und haben es konsequent weiterentwickelt. In diesem Jahr haben wir den ersten Mobile Makerspace auf dieser Basis ausgeliefert.

Unsere Fahrbibliotheken verfügen über die gleichen Optionen für die Ausstattung wie die großen Modelle auf Bus- oder LKW-Basis. Es gibt einen Durchgang vom Fahrerhaus in die Bibliothek, eine Toilette, Klimaanlage, Heizung, autarke Stromversorgung auf Basis von Akkus (auf Wunsch auch mit Solaranlage), „Krümel-Kino“, Rollstuhllift, verschiedene Varianten für den Einstieg in Bezug auf Treppen und automatische Türen und ein modernes Regalsystem mit ausziehbaren Sitzen, Büchertrögen usw. Welche der Komponenten eingebaut werden, entscheidet der Auftraggeber.

Dafür stehen in einem modernen, vollisolierten Raum 6,2 m x 2,45 m Fläche zur Verfügung. Die Raumhöhe beträgt im Regelfall 2,3 m. Damit können wir Platz für ca. 3.500 Medien schaffen. Wenn unsere FB 75 zu groß sein sollte, passen wir die Maße nach Kundenwunsch an und verkleinern Breite, Höhe und/oder Länge.

Die FB 75 ist zwar klein und im Verhältnis zu den großen Modellen wendig, bietet dafür doch recht viel Platz und ist technisch auf dem gleichen Level. Wir achten darauf, dass der Energiebedarf nicht zu hoch ist. Das fängt bei der Wärmedämmung an. Wir haben meist Heizungen mit 6 bis 8 KW und Klimaanlagen mit ca. 2 KW verbaut. Die Elektroinstallation ist auf den Bedarf der Anwender ausgerichtet. Alle Kabel sind „unter Putz“ verlegt, auch für das optionale Netzwerk. Die Vorrüstung für den Internetzugang liefern wir mit. Es können auch getrennte Netze realisiert werden.

Die Haltbarkeit der Fahrgestelle ist dem der anderen Modelle vergleichbar. Wir greifen auf den Iveco Daily zurück. Diese Fahrzeuge haben sich im harten Alltag bei Speditionen und Baubetrieben hinreichend bewährt. Laufleistungen jenseits der 500.000 km und mehr als 20jährige Einsatzzeiten belegen das. Häufig werden wir zum Beispiel auf Rost im Bereich des Fahrzeug-Rahmens angesprochen. Ja, der kommt ab einem bestimmten Alter vor. Allerdings reden wir hier auch von einem echten Stahlrahmen, der auf Grund seiner Dicke so schnell nicht durchrostet. Und dem kann mit einer entsprechenden Pflege gut entgegengewirkt werden. Also haben wir hier keine anderen Probleme, als mit jedem anderen Fahrzeug auch. Das Gleiche gilt für die übrigen Komponenten wie Motor, Getriebe, Lenkung usw. Diese sind für Ihre Gewichtsklasse dimensioniert und wir berücksichtigen bei der Entwicklung und Konstruktion unserer Aufbauten die Herstellervorgaben, um Überlastungen zu vermeiden. Alles in allem kann eine solche Fahrbibliothek 15 bis 20 Jahre im Einsatz bleiben. Und das ist das Alter, welches auch die anderen Modelle gut überstehen. Die Berichte über zunehmende Reparaturkosten wenn das Alter der Fahrbibliotheken um die 20 Jahre ist, Schwierigkeiten mit der Ersatzteilversorgung usw. kennen sicher alle, die mit diesem Thema befasst sind, wenn nicht sogar aus dem eigenen Erleben.

Hier bleibt mir nur wieder eine Lanze für den Sattelauflieger zu brechen. Denn die meisten Schwierigkeiten bereitet der Antrieb und dessen Komponenten. Die sind bei dem Konzept in der Sattelzugmaschine verbaut. Und die kann z. B. für 5 Jahre geleast werden und wird dann ausgetauscht. Mit einem Wartungs- und Reparaturvertrag können alle in dieser Zeit anfallenden Kosten für Durchsichten, TÜV, Verschleißreparaturen zusammen mit der Leasingrate abgedeckt werden. Bei der Bestellung sind also alle Kosten über die 5 Jahre schon bekannt. Und mit der nächsten Ersatzmaschine können Sie der technischen Entwicklung z. B. beim Antrieb Rechnung tragen. Und dieses Modell funktioniert nicht nur mit großen LKW. Wir können auch den BE-Liner realisieren. Ein kleiner Sattelzug mit einem Transporter als Zugmaschine und einem Auflieger z. B. mit einem 8 bis 10 m langen Bibliotheksraum kostet ca. die Hälfte eines Busses, ist in der Wendigkeit nicht zu schlagen und bietet die gleiche Nutzfläche wie die großen Brüder und auch in der Ausstattung müssen keine Abstriche gemacht werden.

Leider ist auch dieser Text wieder ziemlich lang geworden. Trotzdem ist Thema eigentlich nur angerissen. Gern stehe ich natürlich allen Interessierten für Ihre Fragen zur Verfügung.

Viele Grüße aus Sachsen
Thomas Pommert
Fahrzeugbau Deckwerth

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