Und weiter geht das Bücherbus-Sterben,wie der Kölner Stadtanzeiger heute berichtet. Die Grundversorgung mit Literatur im ländlichen Raum wird als Aufgabe allmählich demontiert:
Lohmar. Die Verwaltung ließ nichts an Deutlichkeit vermissen: Wenn es die Stadt nicht aus eigener Kraft schafft, ihren defizitären Etat auszugleichen, droht der Zwangshaushalt durch die Aufsichtsbehörde Kreis. Will meinen: Dann wird alles gekappt, was nicht dringend erforderliche Pflichtaufgabe ist. „Damit endet dann jeder Gestaltungsspielraum für uns“, warb Beigeordneter Stefan Hanraths für Verständnis, dass die Stadt zum Jahreswechsel den Bücherbus aus dem Angebot streichen will.
In einer 18-seitigen Vorlage rechnet die Stadt die Kosten des Busses vor. Fürs Personal, die Bibliothekarinnen und den Fahrer, müssen 85 000 Euro jährlich hingeblättert werden; an Sprit, Wartung, Reparatur und Wartung fallen 21 500 Euro an, für die Ergänzung des Buchbestands 8000 Euro; die Garage schlägt mit 900 Euro zu Buche. Die kalkulatorischen Kosten für Abschreibungen und Verzinsungen summieren sich auf 33 600 Euro, an fixen Sach- und Personalkosten kommen noch mal 16 500 Euro dazu, was unterm Strich 165 500 Euro per anno ausmacht. Abzüglich der 4200 Euro Einnahmen bleiben 161 300 Euro an ungedeckten Kosten übrig, was bei 200 Nutzungstagen einem täglichen Zuschussbetrag von 807 Euro entspreche. Geld, das angesichts des Millionenlochs im Lohmarer Etat nicht mehr da ist.
Also soll der Betrieb des „Bübulo“, wie der Bücherbus Lohmar liebevoll genannt wird, zum 31. Dezember eingestellt werden. Zu diesem Stichtag verlässt eine Bibliothekarin die Bücherei, die Stelle darf nicht mit einer externen Kraft neu besetzt werden, ergo würden sich die beiden Halbtagskräfte aus dem Bücherbus die Stelle in der Wahlscheider Bücherei-Dependance teilen, erläuterte Hanraths.
Argumente, die eine Bürgerin aus Dahlhaus nicht gelten ließ. Wie denn nun die Schüler aus diesem Außenort nach Wahlscheid in die Bücherei kommen sollten, wollte sie wissen, warf der Verwaltung vor, die Dörfer an der Peripherie zu vernachlässigen, betonte, sie habe doch keine Lust, ein- bis zweimal wöchentlich ihr Kind zur Ausleihe zu karren. Ein Rentner bekräftigte sie in ihrem Vorstoß zum Erhalt des BüBulo. Da solle sich die Verwaltung mal gedanken machen, wie sie das finanziere. „Dafür ist sie ja da.“
Deren und der Politiker Vorschlag zur Güte: Bis zum 15. November haben die Bürger Zeit, Konzepte für einen ehrenamtlichen Betrieb des Bübulo auszuarbeiten. Wozu allerdings die Anschaffung eines neuen Fahrzeugs zählen würde, denn der jetzige Bus ist 18 Jahre alt.
Der SPD ist diese Frist zu kurz, wie Fraktionsvorsitzende Gisela Becker im Kulturausschuss betonte. Büchereileiterin Elisabeth Krüschet verwies darauf, dass Zeitdruck wahrscheinlich bürgerschaftliches Engagement fördere, Ausschussvorsitzender Horst Becker äußerte darauf, dass ein entsprechender Versuch in Köln gescheitert sei.
Am Ende folgte der Ausschuss dem Verwaltungsvorschlag, den Betrieb des Bücherbusses zum Jahreswechsel einzustellen, dafür Ein-Euro-Kräfte als Bücher-Boten einzusetzen, auf Wunsch die Leihtitel per Nachnahme zu versenden, neben Lohmar und Wahlscheid die Katholische Bücherei in Birk mit jährlich 1000 Euro Zuschuss zur Pflege des Medienbestandes zu unterstützen – und natürlich die Variante Bücherbus in Bürgerregie auszuprobieren. Wofür es allerdings jährlich nicht mehr als 5000 Euro städtischen Zuschuss gäbe.
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Im Kölner Stadtanzeiger vom selben Tag findet sich auch ein Kommentar zum Ende des Bücherbusses:
[Zitat]
Zwischen Anspruch und Realität
VON INGO LANG, 26.08.05, 07:12h
Sparen macht nicht wirklich Spaß. Vor allem nicht nach so langen Jahren des Wohlergehens, in denen Sonderleistungen der Kommunen – wie der Bücherbus Lohmar – zur lieben Selbstverständlichkeit geworden sind. Ein Service übrigens, den sich andere Städte und Gemeinden drum herum nicht leisteten.
Nun haben sich die Zeiten geändert, sind die öffentlichen Kassen leer. Diese neue Wirklichkeit haben die Politiker bisher auch nicht mit noch so engagierten Worten aufzuheben vermocht. Also müssen kommunale, gemeinschaftliche Auswege aus der Finanzmisere gesucht werden.
Schön, wenn die Verwaltung dabei Brücken wie in Lohmar etwa mit dem Bücher-Boten baut, spürbar bemüht um Lösungen, die so wenig wie möglich schmerzen. Umso befremdlicher, wenn dann Bürger in der Ausschusssitzung fordern, den hoch subventionierten Bücherbus weiter rollen zu lassen, koste es was es wolle. Da mischt sich eine kaum nachvollziehbare Anspruchshaltung mit Realitätsferne. Bei 807 Euro Betriebskosten täglich für den Bus wäre es preiswerter für die Stadt, Bücher im Freiversand zu verschenken oder Ausleiher mit dem Taxi abzuholen und wieder heimzufahren.
Vielleicht war es auch nur ein Vermittlungsproblem, weil die Verwaltung den Bürgern nicht schon vorher anhand der Zahlen verdeutlichte, wie unhaltbar der Bücherbus ist. Denn aus dieser Erkenntnis könnte eine schöne bürgerschaftliche Bewegung zum Erhalt lieber Angebote erwachsen. Ein erstes Pflänzchen wurde auf der Sitzung eingebracht. Jetzt muss es noch gegossen werden: Der Bücherbus ist tot, es lebe der Bücherbus!
[Zitat Ende]
Wie lange dieser „Ein-Euro-Botendienst“ wohl überleben wird?