Das Forum Fahrbibliothek ist derzeit offline. Zwei aktuelle Themen, über die sich unlängst intensiv im Forum ausgetauscht wurden, werden an dieser Stelle anonymisiert dokumentiert. Antworten und Rückfragen sind hier nach Angebe der Mailadresse möglich.
Was muss man für einen soliden Bücherbus ausgeben?
In Reisebusgröße?
Als 7,5-Tonner?
Als 3,5-Tonner?
JW
Nun, hier variieren die Preise ungefähr so, wie die drei genannten Fahrzeugkategorien auseinander liegen.
Es repräsentiert der 3,5 Tonner (jeweils zulässiges Gesamtgewicht) einen typischen Transporter, ein 7,5 Tonner ist ein Großtransporter oder Leicht – LKW, und was Reisebusformat aufweist, ist ein Schweres Nutzfahrzeug.
Beschaffungen, deren Nettowert (also ohne Mehrwertsteuer) 207.000,– Euro überschreitet, sind europaweit auszuschreiben. Für beide Seiten, Auftraggeber wie Bieter, bedeutet das eine Menge Papierkram und Bürokratie. Was sich auf die Länge der Nutzungsdauer gesehen aber relativiert.
3,5 Tonner: auf das Minimum reduziert, dürfte der Einstieg netto gerade noch fünfstellig gelingen. Es handelt sich dann aber um einen minimalistisch ausgerüsteten Kastenwagen. Ein Kofferaufbau ist geräumiger, in der Regel besser isoliert und kommt bibliothekarischen Belangen in jeder Hinsicht entgegen. Auf 3,5 Tonnen Gesamtgewicht limitiert, bleibt kaum Nutz- bzw. Medienlast übrig.
7,5 Tonner: In diesem Segment dominiert der Kofferaufbau. Mit realistisch ca. 200.000,– Euro Einstiegspreis netto für einen soliden Auf- und Ausbau kratzt der 7,5 Tonner hart an der 207.000,– Euro Grenze. Der heute fast schon obligate Rollstuhllift, die Ausrüstung mit Toilette oder Lithium – Ionen Energieversorgung können mit Endpreisen zwischen 220 und 240 TEU netto zu Buche schlagen.
Reisebusformat: Darf ein LKW die Basis sein, geht der Spaß bei netto ungefähr 320.000,– Euro los. Wenn es ein Bus ist, werden knapp 100.000,– mehr fällig. Wer mit der Zeit geht und in Lithium – Ionen Batterien, Rollstuhllift, Toilette, Klimaanlage und Aufenthaltsqualität investiert, muss mit ca. 370.000,– Euro für den LKW und 450.000,– für den Bus rechnen.
MitarbeiterInnen auf Fahrbibliotheken sind MeisterInnen des Verzichts. Man sollte sich bewusst sein, dass selbst ein Bücherbus, welcher länderspezifische Ausnahmeregelungen bezüglich der Länge in Anspruch nimmt, eine Kleinstbibliothek darstellt und auch Sozial- und Rückzugsräume, falls vorhanden, verglichen mit denen in Gebäuden winzig sind. Wie weit man es mit dem Verzicht treibt, hängt also auch mit dem Einsatzprofil und der Dauer zusammen, die das Fahrzeug am Stück auf Piste ist.
Ebenfalls in die Rechnung mit einfließen sollte die angestrebte Nutzungsdauer. Hier sind Schwere Nutzfahrzeuge, Busse zumal, auf eine längere Lebensdauer ausgelegt als Transporter und Leicht – LKW.
Überhaupt ist eine Fahrbibliothek so individuell, dass die angegebenen Preise allenfalls grobe Richtwerte darstellen. Abweichungen nach unten sind im Einzelfall möglich, nach oben sind sie es ganz bestimmt.
Wenn man ein solches Projekt angeht, ist im Vorfeld der Kontakt zu KollegInnen, die vor nicht allzu langer Zeit beschafft haben, absolut ratsam.
Und der zu den Herstellern auch.
Die seriösen beraten immer so, dass viel Bücherbus fürs Geld herauskommt. In jeder Hinsicht.
// LS
Hinweise auf neue und relativ neue Fahrzeuge sind u.a. hier zu finden: http://www.fahrbibliothek.de/category/neue-fahrzeuge/
(auch auf den Folgeseiten). Kontakt zu den jeweiligen Fahrbibliotheken dann hier: http://www.fahrbibliothek.de/fahrbibliothek/
MW
Erst mal vielen Dank, LS. Ihren Ausführungen kann ich mich nur anschließen. Vielleicht mit einem Hinweis. Der sogenannte Schwellenwert ist wohl auf 209.000 € netto angehoben worden. Diesen Wert gilt es immer aktuell zu hinterfragen, da er Anpassungen unterliegt, wie auch die Preise ja nur die eine Richtung kennen… Dazu kann die zuständige Vergabestelle in der Regel weiterhelfen.
Auf eine interessante, aber leider für Fahrbibliotheken in Vergessenheit geratene, Fahrzeugkategorie möchte ich noch hinweisen. Die Sattelauflieger. Diese sind in mehreren Größen vom BE-Liner, max. 8,75 t Zuggewicht, bis zum großen Auflieger mit 1 bis 3 Achsen und bis zu 40 t Zuggesamtgewicht lieferbar. Der wesentliche Vorteil liegt in der Trennung von Zugmaschine und Bibliothek. Daraus ergeben sich die Vor- und Nachteile dieser Lösung. So ist bei dieser Variante ein Durchgang zwischen Fahrerhaus und Bibliothek nicht realisierbar. Dem steht einiges gegenüber:
Vorteile eines Sattelzuges als Fahrbibliothek
• kann vom Fahrgestell der Zugmaschine unabhängig für den Zweck konzipiert werden, damit optimal auf den Zweck zugeschnitten
• bester Wendekreis (bei 10,5 m Länge der Bibliothek im Lichten unter 15 m)
• niedrige Einstiegshöhe (selbst ohne Lift ist ein barrierefreier Zugang darstellbar)
• Länge der Bibliothek bis 13.600 mm möglich, damit ist neben einer großen Medienanzahl Platz für die erweiterte Nutzung mit Leseecke, OPAC, Internet-Arbeitsplätze usw. möglich
• günstiger Preis ab ca. 250.000 € brutto + Zugmaschine nach Einsatz (ab ca. 65.000 € brutto)
• lange Nutzungsdauer bis zu 30 Jahren mit der Option für zwischenzeitliche „Auffrischung“
• unabhängig vom Fahrzeug, daher
bei Reparaturen, Durchsichten kann mit Mietfahrzeug weitergefahren werden
Maschine kann nach Wunsch getauscht werden (z. B. wenn diese technisch verschlissen ist, die Umweltnormen geändert werden oder andere Antriebe wie der E-Motor zur Verfügung stehen)
anderes Finanzierungsmodell als für die Bibliothek im Auflieger möglich (z. B. Leasing für die Sattelzugmaschine während die Bibliothek gekauft wird), damit Entlastung des Etats für Investitionen
Mit freundlichen Grüßen,
TP
Vielen Dank für diese sehr ausführlichen und informativen Antworten.
JW
Noch kurz einen Nachtrag zu den Schwellenwerten. Diese werden über die EU regelmäßig angepasst und entsprechend der Marktsituation festgelegt. Jetzt ist es mal wieder soweit. Für 2018/2019 soll dieser bei 221.000 € netto liegen. Das bedeutet bei einem Auftragswert unter dieser Nettosumme ist keine EU-weite Ausschreibung notwendig und die Vergabe kann national erfolgen.
Mit besten Grüßen aus Sachsen,
TP
Es war mein diesbezügliches Wissen reichlich angestaubt und bedurfte der Auffrischung.
221 TEU sind ein großer Sprung nach oben. Und wohl der Teuerung in der EU geschuldet.
Mit der Festlegung auf 2018/19 sieht es jetzt so aus, als wäre über einen längeren Zeitraum Stabilität gewährleistet.
Viele Grüße,
LS